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Mont Blanc

v.l.n.r. Aiguille du Midi, Mont Blanc du Tacul, Mont Maudit, Mont Blanc Ein strahlendblauer Sommerhimmel liegt vor uns, als wir den Mont-Blanc-Tunnel auf französischer Seite verlassen, ganz im Gegensatz zum wolkenverhangenen Aostatal, aus dem wir kommen. Wir rollen hinab nach Chamonix und machen uns auf die Suche nach einem Zeltplatz. Refuge des Cosmiques Als unsere kleine Villa steht, ziehen erste niedliche Wölkchen das Arvetal herauf. Wir fahren hinein in den hübschen Ort, um uns am Bergbüro gegenüber der Kirche nach dem Wetter zu erkundigen, 90 Prozent Sonnenschein sind für heute angesagt. Doch zurück zum Auto legen wir einen tollen Sprint ein. Grund dafür ist ein heftiges Gewitter mit Starkregen und Hagel. Soviel also zum Wetter hier und den dazugehörigen Prognosen. Die nächsten zwei Tage bleibt es trüb und regnerisch. Erst zum Wochenende wird es schöner, doch schon ergibt sich das nächste Problem. Alle Hütten um den Mont Blanc sind ausgebucht. Erst für Sonntagabend können wir Lager in der Cosmiques-Hütte reservieren.
Am Nachmittag schweben wir mit der Telepherique de l'Aiguille du Midi hinauf auf den spitzen Sporn hoch über Chamonix. Col della Brenva Dort halten wir uns nicht lange auf, bewaffnen uns mit Steigeisen und Pickel und gehen den schmalen, wolkenverhangenen Grat hinab. Nach einer guten halben Stunde erreichen wir im Gegenanstieg das Refuge des Cosmiques. Wir werden in der hübschen Hütte freundlich empfangen und verbringen einen gemütlichen Abend inklusive Fußball-WM-Endspiel-Atmosphäre.
Nachts um halb eins beginnen die beiden Japaner, sich anzuziehen. Nur kurz danach folgen die Polen, die Holländer und die Italiener. Also ist auch für uns die Nacht vorbei. Punkt eins öffnet das Frühstücksbüffet, aber wir haben kaum Hunger, halten uns an Kaffee und Fruchtsaft. Noch vor zwei Uhr stehen wir angeseilt im Licht der Stirnlampen vor der Hütte. Ich fühle mich fit und voller Tatendrang. Vorbei sind die Fragen und Ängste der vergangenen Tage: Wie wird das Wetter? Wird mein im letzten Winter gebrochener und verschraubter Knöchel halten? Wird die Kondition reichen? Wird uns die Höhe zu schaffen machen?
Mont Blanc vom Brenvasattel Also auf geht's, das heißt zunächst einmal abwärts zum Col du Midi. Von hier beginnt der Anstieg hinauf zur Schulter des Mont Blanc du Tacul. Auf steilem Weg, mit Seilschaften vor und hinter uns, geht es aufwärts. Doch plötzlich müssen wir uns eine steile Firnflanke hinaufhacken. In der Finsternis kann ich nicht feststellen, ob dies der Normalweg oder eine Abkürzung ist. Schließlich wird es etwas flacher, wir passieren einige Seracs und nach anderthalber Stunde stehen wir auf der Schulter des Mont Blanc du Tacul. Noch ist es dunkel, aber der Blick hinunter auf die Lichter von Chamonix ist beeindruckend.
Nun gehen wir abwärts zum Col Maudit und im schnell steiler werdenden Gegenanstieg hinauf Richtung Mont Maudit. Zum Teil auf allen Vieren quälen wir uns aufwärts, so steil ist es. Doch das Beste steht uns noch bevor, eine dreißig Meter hohe Eiswand verlegt den Weg. Mit Pickel und Frontzacken hacken wir uns hinauf und sind dankbar für das Fixseil, an dem wir uns mittels Steigklemmen sichern. Der Ausstieg aus der Wand leitet unmittelbar auf die Schulter des Mont Maudit. Mit Bedauern lassen wir den nahen Gipfel, an sich ein respektabler Viertausender, links liegen. Wir haben Höheres vor und werden unsere Kraft noch brauchen. Also gehen wir abwärts und erreichen pünktlich zum Sonnenaufgang den Col della Brenva. Wir rasten etwas und beobachten, wie die Sonne hinter den Walliser Gipfeln emporsteigt und die Berge um uns in rotes Licht taucht. 4810m Faszinierend! Da es mir nicht gelingen will, diese Bilder zu beschreiben, möchte ich Dr. Heinrich Pfannl zu Wort kommen lassen. Er erlebte im Jahr 1900 nicht weit von hier ähnliches: Allmählich wird es heller; im Osten ein lichter Streif, dann erglüht der Himmel in feurigem Scheine, wie schwarze, in hellen Gluten schwimmende Schlacken erscheinen die Berge, scharf glimmt das Feuer in den tiefen Scharten, als wollte die Glut die Berge schmelzend verschlingen. Dann kommt die Sonne! Andacht ist sie zu schauen, Gottesdienst ist sie zu grüßen! Zum Wunder wird auf ragender Höhe dies tägliche Wiederkehren, wohl niemand kann sich dieser mächtigen Symbolik entziehen, die daraus strahlt! Längst stehen wir still und staunen; wortlos, thatlos, zum Schauen gebannt. Alles was wir thun und denken können, versinkt vor dem, was wir schauend geniessen.
Hier in der Brenvaflanke soll es die größten Wächten der Alpen geben, aber wir halten genug Abstand, wünschen keine nähere Bekanntschaft. Was folgt ist der endlose, monotone Firnanstieg hinauf zum Gipfel des Mont Blanc. Ein eiskalter Sturmwind pfeift uns um die Ohren und erschwert den Aufstieg zusätzlich, immer wieder müssen wir pausieren, Luft holen, Kraft schöpfen. Doch schließlich, knapp sechs Stunden nach dem Start stehen wir auf dem Haupt des Monarchen, auf dem Dach der Alpen. Nach den Glückwünschen an die Handvoll weitere Bergsteiger, die mit uns oben sind und den obligatorischen Gipfelfotos zwingt uns der Höhensturm zum raschen Abstieg. Der erfolgt auf dem Normalweg, also den schmalen Bossesgrat hinab. Zum Glück haben wir keinen Gegenverkehr, Ausweichmanöver bei diesem Sturm wären sicher spannend. Doch ohne Probleme gelangen wir hinunter, passieren das Vallot-Biwak und rasten schließlich am Col du Dome. Hunger haben wir keinen, aber der Tee aus der Thermosflasche ist sehr willkommen. Bossesgrat Es folgt der Gegenanstieg durch die Flanke des Dome du Gouter, eines 4300m hohen Schneehügels. Dann geht es nur noch abwärts und nach über acht Stunden erreichen wir die Gouter-Hütte. Hier ist Gelegenheit zu einer ausgiebigen Rast, wir verpacken Eisgerät und Seil.
Am Felssporn unterhalb der Hütte geht es an Drahtseilen und durch gut gestuften Fels abwärts bis zum Großen Couloir, welches zu queren ist. Dies ist die gefährlichste Stelle der gesamten Tour, hörten wir doch schon lange das Poltern der abgehenden Steine, die durch dieses Couloir schießen. Mit Tempo und Glück gelangen wir unbeschadet auf die gegenüberliegende Seite und setzen den Abstieg dann entspannt fort. Nach über zwölf Stunden Gesamtgehzeit erreichen wir Nid d'Aigle, wo wir unseren geschundenen Gliedern etwas Ruhe gönnen. Per Zahnradbahn, Seilbahn und Bus gelangen wir, geschafft aber glücklich, zurück nach Chamonix. Großes Couloir

Juli 2006

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Chamonix, Mont Blanc, Monte Bianco